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Russland wird zur Weizengroßmacht

12 сентября 2018 года

Igor ist Optimist, auch was die Vergangenheit angeht. „Sprit war für uns kein Kostenpunkt, Sprit war wie Wasser“, sagt er. „Wir verstanden gar nicht, wie glücklich wir waren. Wir lebten wie Kinder im Kindergarten.“ Der Kindergarten hieß Sowjetunion, Igor Smirnych, 53, war damals Chefagronom des Lenin-Kolchos, einer Kollektivwirtschaft in Kolpna, Gebiet Orjol, 390 Kilometer südlich von Moskau. Dort standen 1000 Milchkühe, arbeiteten 140 Kolchosniki und ein Liter Sprit kostete acht Kopeken.

Auf dem Hof des längst bankrotten Kolchos parken jetzt russische Don- neben deutschen Claas-Mähdreschern. Das vaterländische Gerät sei besser aber auch teurer geworden, sagt Igor. „Wenn eine Maschine viel billiger ist, kaufe ich die russische, sonst die deutsche.“ In Kolpna herrscht inzwischen Marktwirtschaft.

Igor sitzt in seinem kleinen Büro, erzählt von der Inflation nach dem Ende der Sowjetmacht 1991. Plötzlich hätten die 65 Liter Sprit im vollen Tank des Milchwagens mehr gekostet, als die 3000 Liter Milch, die er transportierte. „Die Preise“, seufzt er, „haben die Kolchosen kaputtgemacht.“

Links von ihm steht ein vergilbtes Foto, das seine Großeltern in den 20er Jahren zeigt, rechts liegt eine 16-Kilo-Hantel auf dem Boden. 1993 stieg Igor Smirnych beim Kolchos aus, der Staat verteilte damals Land an Neubauern, Igor und sein Bruder Alexander fingen mit 60 Hektar an.

1990 war Igor als Praktikant in Frankreich gewesen, auf einem Hof bei Reims. „In der Theorie hatten wir alles, was ich dort sah, schon am Agrarinstitut gelernt.“ Aber in der Praxis habe die Erfahrung, wie ein Privatbetrieb funktioniert, durchaus genutzt. „Und wir hatten Anfängerglück wie im Kasino.“ Igor grinst. „Die erste Ernte war sehr gut.“ 250 Tonnen Getreide, die Brüder kauften einen neuen Traktor, einen neuen Lkw, einen gebrauchten Mähdrescher. Eine ausgediente Busgarage wurde ihr erstes Kornlager. Und sie pachteten oder kauften immer neue Felder.

Heute beackern die Smirnychs mit elf Angestellten etwa 2000 Hektar Schwarzerde, gehören zu den größten Bauern im Kreis Kolpna. Für deutsche Verhältnisse sind sie Giganten. Igors jüngerer Sohn Maxim macht gerade ein Praktikum auf einem Biobauernhof bei Mainz mit 49 Hektar. Die Durchschnittsgröße eines deutschen Agrarbetriebs beträgt knapp 61 Hektar. Russlands Durchschnittshöfe sind mit 5900 Hektar fast hundertmal größer, hier sind 2000 Hektar untere Mittelklasse. Die Flächen der größten Agrar-Holdings nähern sich inzwischen der Eine-Millionen-Hektar-Marke.

Auch Kolpna schwimmt in abgeernteten Weizenfeldern, riesige Flächen dunkelbrauner Erdschollen, an denen noch die Halmstümpfe kloben. Die Felder wollen nicht enden, bis sie am leicht geschwungenen Horizont den Himmel treffen, ein Horizont, fern wie auf dem Meer.

Die Erträge der russischen Landwirtschaft wachsen ebenfalls ins Riesenhafte. Im vergangenen Jahr erntete man mehr als 135 Millionen Tonnen Getreide, überbot damit den Sowjetrekord von 1978 um acht Millionen Tonnen. Und in der Saison 2017/2018 wurden 52,4 Millionen Tonnen Getreide exportiert, davon 40,5 Millionen Tonnen Weizen. Zwar wird wegen des auch in Russland ungünstigen Wetters in diesem Jahr nur mit einer Ernte von bis zu 110 Millionen Tonnen gerechnet. Aber der Rubel ist billig, der Staat erhebt keinen Ausfuhrzölle, das Ausland leidet unter Dürre. Allein im August exportierte man 5,2 Millionen Tonnen Getreide. Wieder ein neuer Rekord.

Hinter Igor hängt ein Plan ihrer Felder, gelb die gepachteten, blass rot die gekauften. Weil die großen Konzerne im Jahr 2000 begannen, das Land aufzukaufen, sichern sich auch die Smirnychs möglichst viel Grundeigentum, statt Land zu pachten. Auf dem Plan sind die gerade neu gekauften Flächen mit rotem Buntstift schraffiert. „Jede Woche kommt etwas dazu, der Boden kostet ja nicht viel“, sagt Igor. Noch könne man Schwarzerde-Hektar für 20 000 bis 40 000 Rubel kaufen, umgerechnet 240 bis 480 Euro. Ein Hektar Acker in Baden-Württemberg kostet 24 000 Euro.

„In Deutschland sind auch die Pachtpreise horrend“, sagt Eckard Hohmann. Der 50-jährige Rheinländer ist Igors deutscher Nachbar. Dabei steht sein Schreibtisch im 210 Kilometer entfernten Brjansk. Er bestellt insgesamt 8000 Hektar in den Regionen Orjol und Bryansk. Der Deutsche ist auch braun gebrannt und noch etwas hünenhafter als Igor, einer, der 2004 seinen Job als Manager bei der Moskauer Filiale der WestLB aufgab, um in Russland Getreide anzubauen.

Auch das Benzin sei billiger, sagt Hohmann. Und seinen 50 Mitarbeitern zahlt er mit umgerechnet 640 Euro das Doppelte des Durchschnittslohns. Zwar dürfe man wegen der kontinentalen Fröste hier keinen deutschen Winterweizen sähen, das Ertragsniveau liege bei 60 Prozent der deutschen Sorten. Aber darum benötige man auch deutlich weniger Kunstdünger. „Und wir können unsere Technik auf diesen großen Flächen viel besser auslasten. Wir können hier zu Weltmarktpreisen produzieren.“ In Deutschland sei das unmöglich.

Auf dem Trecker sitzt Hohmann kaum noch. Dafür führt er bis zu 130 Telefongespräche am Tag. Er hat sich einen Kleinbus angeschafft, der als Wohnmobil nutzbar ist, um seine hunderte Kilometer auseinander liegenden Parzellen vor Ort zu managen. „Die russische Mentalität ist umkomplizierter. Meine Jungs sind Top-Leute, die denken selbst mit, malochen, wenn nötig, auch samstags und sonntags volle Pulle durch.“

Hohmann sagt, mit staatlichen Auflagen hätte man weniger Ärger als in der EU, auch Kredite seien kein Problem. „Der Staat subventioniert Kredite für Landwirte: Von neun Prozent Zinsen übernimmt er fünf oder sechs Prozent“, bestätigt Oleg Suchanow, Getreide-Experte des Instituts für Landwirtschaftskonjunktur in Moskau (Ikar). Bei Gewinnmargen von 30 bis 40 Prozent pro Hektar sei das sehr billiges Geld.

„Der Staat stört kaum“, sagt Igor. Bloß ändere er seine Spielregeln zu oft. „Dieses Jahr gibt es Subventionen, nächstes Jahr nicht.“ Aber das Hauptproblem der Bauern ist auch hier das Wetter: Starkfrost im Winter, zu viel oder zu wenig Regen im Sommer. Und der Kapitalismus russischer Prägung sorgt für Unruhe. Weiter im Süden, im reichen Kuban-Gebiet, expandieren einige Branchenriesen auf Teufel komm raus. Um kleinere Bauern zum Verkaufen zu zwingen, schicken sie ihre eigenen Mähdrescher zur Ernte auf deren Kornfelder – begleitet von Schlägertrupps. Und in der Region Tula südlich von Moskau beschlagnahmten Gerichtsvollzieher Anfang August, kurz vor der Ernte, die Maschinen eines 2400-Hektar-Farmers. Angeblich wegen Schulden, der Betroffene spricht von feindlicher Übernahme.

Igor sagt, solche Attacken gäbe es in seiner Gegend bisher nicht. Und auch an mittelgroßen Höfen mangele es bislang nicht. Sie bauen Kirchen und räumen zugeschneite Zufahrtsstraßen, während vielen Großinvestoren die Dörfer auf ihren Ländereien gleichgültig seien.

Noch aber blüht die Marktwirtschaft auf dem Land. „Der Hauptgrund für die Ertragssteigerungen ist Freiheit“, schreibt die Wirtschaftszeitung RBK. Die Freiheit, in die Hände zu spucken und von Unkraut überwucherte Erde unter den Pflug zu nehmen, um den Erlös aus der Ernte in moderne Maschinen, besseres Saatgut und neues Land zu stecken.

Analytiker Suchanow prophezeit Russland in fünf bis sieben Jahren eine 150-Millionen-Tonnen-Ernte. Igor glaubt, er und sein Bruder könnten ihre Erträge in den kommenden zehn Jahren verdoppeln. Und wie viele russische Bauern freut er sich über den Klimawandel und die milderen Winter. Die Getreideproduzenten Amerikas, Kanadas und Europas hätten ihre Grenzen erreicht. „Aber die Weltbevölkerung wächst, Reserven für höhere Ernten gibt es nur noch bei uns. Gott spürt wohl, dass er jetzt Russland unterstützen muss.“

Aber dann erinnert Igor sich wieder an die Sowjetzeit. Und daran, dass er schon damals gerne scherzte: „Als Student wurde ich gefragt, was mein Lebensziel sei. Ich sagte, ich träume davon, dass Russland einmal die Weizenproduktion Kanadas pro Einwohner übertreffen wird.“ Jetzt sei er guter Hoffnung, dass er das noch erlebt.

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Source: swp.de  |  #grain   |  Comments: 0   Views: 97


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